Freitag, 11. Mai 2012

Paddeltheorie - Wildwasserpaddeln


Bei einem Gespräch mit einer Radrennfahrerin sind mir einige Merkmale des Paddelns im natürlichen Wildwasser in den Sinn gekommen, die diesen Sport meines Erachtens von anderen Sportarten maßgeblich unterscheiden.


Anders als bei Ausdauersportarten wie Laufen oder Radfahren oder auch anders als bei vielen Mannschafts- und anderen Wettbewerbssportarten haben eine solche Vielzahl von Kenntnissen und Fähigkeiten Einfluss auf den Paddelsport, dass man guten Gewissens von einer "komplexen Sportart" reden kann.

Überbegriffe wie "Technik/Körperkoordination", "Ausdauer", "Reaktionsfähigkeit" und "Kraft" umschreiben zentrale - vorwiegend - "körperliche" Aspekte des Paddelns (vor allem in bewegtem Wasser). Hinzu kommen mentale Leistungen wie Strategieüberlegungen, die hier nicht im Sinne von Wettkampfstrategien verstanden werden sollen sondern in Zusammenhang mit Strömungslehre stehen. Hydrodynamik ist eine komplexe Angelegenheit, mit der sich Wildwasserpaddler auseinander setzen müssen. Sie müssen sie nicht zwingend intellektuell durchdringen aber sie können im Wildwasser nicht paddeln, wenn sie nicht ein Gespür für Strömungen und ihre Auswirkungen auf Boot und Paddel entwickeln.

Ausrüstungsfragen werden stets heftig diskutiert. In diesen Diskursen mag einige Redundanz enthalten sein aber Kenntnisse über sinnvolle, zweckmäßige und vor allem sichere Ausrüstung (und deren sachgemäße Lagerung und Instandhaltung) sind für Wildwasserpaddler unverzichtbar. Das gleiche gilt für Sicherheits- und Rettungstechniken, deren Komplexität leicht auch Abwehr und Unwillen in der Ausbildung auslösen. Im eigenen und im Interesse aller Mitpaddler ist es dennoch erforderlich sich diese Kenntnisse anzueignen und sie kontinuierlich aufzufrischen.

Da der Kanusport ein Natursport ist haben ökologische Erwägungen, die damit verbundenen Regelwerke und Bestimmungen Einfluss auf die Ausübung des Sports. Wer sie nicht durchdringt kann schwerlich paddeln.

Der Kanusport fordert aus diesem Blickwinkel heraus den ganzen Menschen mit Kopf und Leib (beim Kanusport wird der Unterleib erheblich weniger belastet als der Oberkörper. Gänzlich unbeteiligt bleibt er allerdings nicht - insbesondere wenn es ums Umtragen von Flusshindernissen geht). Die Anforderungen sind komplex und die Erfahrung lehrt, dass der Paddelsport höhere Bildungsschichten eher anspricht als bildungsferne Bevölkerungsgruppen. In diesem Zusammenhang gibt es Beispiele dafür, wie elitären Tendenzen im Vereinssport entgegen gewirkt wird (Vaihinger Kanu-AG).

Ein kulturelles Anhängsel des Paddelsports mag auch noch angeführt werden: Man kann Canadier ohne Kenntnisse der historischen Entwicklung und Bedeutung dieser Bootsgattung für den nordamerikanischen Kontinent betreiben. Wer sich zusätzlich zum Sport mit der Herkunft und Entwicklung der Bootsgattung beschäftigt ist mit einem bemerkenswerten und reichhaltigen kulturellen Erbe konfrontiert.
Gleiches gilt für Kajaks, deren Herkunft und historische Bedeutung jedoch vor allem für Seekajakpaddler eine Rolle spielt. Der Wildwasserkajaksport ist in dieser Hinsicht eine moderne und innovative Erscheinung, die nur einen vergleichsweise kurzen geschichtlichen Hintergrund hat.

Ähnliche Merkmale haben unzweifelhaft auch andere Sportarten vorzuweisen und wer sich intensiv mit einer Sportart, ihrer Entwicklung und ihrer verschieden Randdisziplinen auseinander setzt ist sicher in der Lage vielfältige Aspekte aufzulisten und zu erläutern. Es gibt aber eine ganze Reihe populärer Sportarten, bei denen mir beim besten Willen nicht mehr als eine Handvoll derartiger Merkmale einfallen. Das kann nicht nur an meiner Ignoranz ihnen gegenüber liegen.

1 Kommentar:

  1. Ich würde Deine Aufzählung gerne noch ergänzen mit dem Punkt Umgang mit Gefahren, Risikobereitschaft/Mut als Reaktion auf äußere Bedingungen und Einschätzung persönlicher Fähigkeiten.
    Kanufahren ist sehr stark abhängig von stets wechselnden Bedingungen und erfordert permanente Bewertung der Risiken und der eigenen Grenze, diese Risiken einzugehen.

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